Juli Zeh – Über Menschen (Rezension)
Erscheinungsdatum Hardcover: 22.03.2021
(Luchterhand Literaturverlag, 416 Seiten, ISBN 3630876676)
Erscheinungsdatum Taschenbuch: 10.08.2022
(btb Verlag, 416 Seiten, ISBN 3442772192)
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Inhalt
Dora ist 36 Jahre alt und flüchtet Anfang 2020 von Berlin ins brandenburgische Umland – sie hat sich ein Haus in dem (fiktiven) Dorf Bracken gekauft, und der Umzug dorthin hängt bei weitem nicht nur mit dem Beginn der Corona-Pandemie zusammen. Der eigentliche Grund für ihre Flucht ist ihr Partner, der sich zuerst in das Thema Klimawandel und schließlich auch Corona verrannt hat.
Dora stellt nicht nur ihre Beziehung, sondern ihr ganzes Leben in Frage und will in Bracken zur Ruhe kommen. Diese Ruhe wird aber schnell durch ihren Nachbarn Gote gestört, der sich ihr als „Dorf-Nazi“ vorstellt, und das ist leider nicht nur so dahingesagt …
Meine Meinung
Ich habe „Über Menschen“ im Herbst 2021 gelesen, also noch mitten in der Pandemie. Zuvor war ich mir noch etwas unschlüssig darüber gewesen, ob es nicht etwas zu früh dafür sei, mich auch noch literarisch mit diesem allgegenwärtigen Thema auseinanderzusetzen.
Dann aber siegte meine Neugier, und die Befürchtung erwies sich als unbegründet. Stattdessen fand ich es interessant, wie bekannt und gleichzeitig fremd mir die Gedanken vom Beginn der Pandemie beim Lesen waren. Genauso war es „damals“; genauso anders hatte sich das Empfinden schon (oder nur?) 1,5 Jahre später entwickelt. Auch weitere zeitgenössische Themen und Blickwinkel wurden scharf beobachtet und überzeugend eingefangen.
Nicht ganz sicher bin ich mir darüber, was genau Juli Zeh letztlich mit der Figur des Gote aussagen wollte. Im besten Fall „Begegne jedem Menschen als Mensch, was auch immer er getan hat, damit du selbst Mensch bleibst“, im schlimmsten Fall „Nazis können eigentlich auch ganz nett sein (jedenfalls zu denen, die nicht zufällig die aus ihrer Sicht falsche Hautfarbe haben)“? Ich möchte sehr gern ersteres annehmen und der Autorin auch keinesfalls Unrecht tun, aber leider fand ich den zweiten Aspekt auch recht deutlich mitschwingend, und das ging mir beim Lesen ziemlich gegen den Strich.
Fazit
Selten war ich mir so unschlüssig, wie ich ein Buch bewerten soll, wie bei „Über Menschen“. Ich mag den Schreibstil von Juli Zeh und vieles an der Geschichte hat mich angesprochen. Mit noch etwas mehr Abstand wird es sicher zu einem noch interessanteren Zeitzeugnis der allerersten Phase der Corona-Pandemie werden.
Für mich ein schwieriges Buch, das ich aber alles in allem dennoch als sehr lesenswert einstufe.