Karen Köhler – Miroloi (Rezension)

Buchcover Karen Köhler Miroloi
(Copyright: Carl Hanser Verlag)

Erscheinungsdatum Hardcover: 19.08.2019
(Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 464 Seiten, ISBN 3446261710)

Erscheinungsdatum Taschenbuch: 23.04.2021
(dtv Verlagsgesellschaft, 464 Seiten, ISBN 3423147881)

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Inhalt

Ein sogenanntes „Schönes Dorf“ auf einer Insel, vielleicht im Mittelmeer, vielleicht irgendwo anders auf der Welt: Die 16-jährige Ich-Erzählerin kam als Findelkind in einem Karton in die Gemeinschaft, ist aber nie Teil derselben geworden, denn im „Schönen Dorf“ gelten strenge, religiös begründete Gesetze. Frauen dürfen nicht lesen und schreiben lernen, sind auch sonst in ihren Rechten eingeschränkt und haben zuerst ihren Vätern und später ihren Ehemännern zu gehorchen.

Die Protagonistin wird ausgegrenzt, weil sie keine Abstammung nachweisen kann, darf nicht heiraten oder Kinder bekommen, nichts besitzen – nicht einmal einen Namen. Im Bethaus-Vater, der eine Art Kirchenvorstand ist und sie einst fand und bei sich aufnahm, hat sie einen wohlwollenden Ziehvater, aber auch er kann sie nicht vor allen Anfeindungen und Angriffen der übrigen Dorfbewohner:innen schützen. Lediglich eine großmütterliche Freundin und eine jüngere Frau halten außer ihm noch zu ihr. Als sie sich gegen alle Vorschriften verliebt, beginnt sie nach und nach aufzubegehren – aber zu welchem Preis?

Meine Meinung

Karen Köhler hat hier eine Dystopie entworfen, die wahrscheinlich noch in viel zu vielen Teilen der Welt viel zu nah an der Realität liegt und mich nach etwas Einlesezeit sehr in ihren Bann gezogen hat.

Mir gefiel die Unbestimmtheit der Verortung der Geschichte einerseits genauso gut wie die deutlichen Bezüge zu realen Orten, Namen und Religionsgemeinschaften andererseits. Die Heilige Schrift der Inselbewohner heißt „Khorabel“ – dieses gelungene Wortspiel aus Koran, Thora und Bibel macht deutlich, dass hier keine bestimmte Religionsgemeinschaft beschrieben wird, sondern sie in ihrer fundamentalistischen Auslegung alle Ähnlichkeiten zueinander aufweisen.

Das Buch ist nicht in Kapitel, sondern in Strophen gegliedert – die Ich-Erzählerin singt ein sog. Miroloi, eine Totenklage. Genauer gesagt, ihre eigene Totenklage, denn sie geht fest davon aus, dass niemand anders sie für sie singen wird, wenn sie einmal stirbt. Nicht immer bauen diese Strophen chronologisch aufeinander auf, was mich aber nicht weiter störte. Ich fand sie auch aufgrund der Kürze gut zu lesen; allerdings gab es für meine Begriffe im Mittelteil einige Wiederholungen und Stellen, in denen die Handlung nicht unbedingt vorangebracht wurde.

Richtig mitreißend wurde es dann noch mal am Ende. Hier bin ich durch die Seiten geflogen und wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht.

Thalia
(*)

Fazit

Obwohl mir insgesamt eine etwas knackigere Erzählweise besser gefallen hätte, hat mir „Miroloi“ sehr zugesagt. Es bereitet ein äußerst wichtiges Thema gut lesbar auf und lässt viel Raum für eigene Interpretation. Zu Recht stand das Buch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 und ist definitiv nicht nur für Jugendliche interessant, auch wenn sie die Hauptzielgruppe sein mögen.

Bewertung

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