Kristina Lunz – Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch (Rezension)
Erscheinungsdatum: 24.02.2022
(Ullstein Buchverlage, 448 Seiten, ISBN 9783430210539)
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Inhalt
Kristina Lunz, Politikwissenschaftlerin und Gründerin des „Centre for Feminist Foreign Policy”, kurz CFFP, plädiert in diesem Buch für einen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik und globalen Zusammenarbeit. Diese werden nach wie vor von den bereits viel zitierten „alten weißen Männern“ geprägt. Frauen, Kinder und weitere – aus verschiedensten Gründen wie Herkunft, Alter oder Gesundheitszustand – marginalisierte Gruppen werden selten gehört; tatsächlich werden viele Entscheidungen zu ihrem Nachteil getroffen.
Die Autorin spricht mit den Themen Gesundheit, Klimaschutz und militärische Auf- bzw. Abrüstung zentrale Aspekte an, in denen aus ihrer Sicht alte Muster aufgebrochen werden müssen: für eine friedliche und sichere Welt für alle Menschen.
Meine Meinung
Zugegeben: Weder Feminismus noch Außenpolitik waren bisher Themen, mit denen ich mich täglich ausführlich befasse. Die Kombination aus beidem, also feministische Außenpolitik, war für mich daher bislang nicht mehr als ein Schlagwort – aber ein sehr aktuelles, schließlich hat sich die aktuelle Bundesregierung als erste in der Geschichte einer solchen verschrieben, und mit Annalena Baerbock besetzt zum ersten Mal in Deutschland eine Frau federführend das Bundesaußenministerium. Deswegen wollte ich in diesem Buch mehr über das Thema erfahren.
Kristina Lunz schildert zunächst den Status Quo der Außenpolitik und Diplomatie und ihren eigenen Weg hin zum feministischen Aktivismus, dann die Anfänge feministischer Bestrebungen im Bereich Außenpolitik und schließlich die bereits oben genannten zentralen Ziele, die damit verfolgt werden sollen.
Der Einstieg fiel mir leicht, da ihn die Autorin aus meiner Sicht sehr niederschwellig gestaltet hat. Statt sofort mit Neologismen um sich zu werfen, die vielleicht (noch) nicht allen Leser*innen täglich begegnen, erläutert sie die Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten und grenzt sie explizit von geläufigerer, aber aus ihrer Sicht diskriminierender Terminologie ab. So wird die Relevanz der Thematik in verständlicher statt wissenschaftlich abgehobener Sprache auch Leser*innen nähergebracht, die damit bisher noch nicht so viele Berührungspunkte hatten. Zudem gibt die Autorin in zahlreichen Fußnoten weiterführende Erläuterungen zu vielen Aspekten, und hinten im Buch befindet sich ein Abkürzungsverzeichnis, in dem die vielen im Buch verwendeten Abkürzungen für diverse Organisationen, Programme usw. bei Bedarf nachgeschlagen werden können.
Den Mittelteil fand ich ein wenig zäher zu lesen. Ohne Zweifel ist die (bisherige) Entwicklung feministischer Außenpolitik relevant dafür, sie in den aktuellen Kontext einordnen zu können. Aus meiner Sicht gab es hier und da aber ein paar Redundanzen und manches war mir zu ausführlich geschildert.
Die zentralen Forderungen nach einer gerechten Gesundheits-, Klima- und Sicherheitspolitik etwa im letzten Drittel des Buchs fand ich dafür aber wieder sehr informativ und vor allem auch aufrüttelnd. Zahlreiche praktische Beispiele für die Ungleichbehandlung verschiedenster Menschengruppen auf der ganzen Welt führten mir deutlich das Privileg vor Augen, das wir in den vielfach als westliche Industrienationen bezeichneten Teilen der Erde genießen. (Die Autorin bevorzugt hierfür den aus ihrer Sicht neutraleren Begriff „globaler Norden“.) Gleichzeitig wurde mir aber auch (noch) klarer, wie viel Ungerechtigkeit es nach wie vor auch „hier bei uns“ gibt.
Schließlich gefiel es mir gut, dass die Autorin immer wieder Anekdoten und Erfahrungen aus ihrer Arbeit innerhalb ihrer eigenen Organisation CFFP eingeflochten hat. Am Ende jedes Kapitels finden sich außerdem Kurzporträts von Frauen, die die Autorin in ihrer Tätigkeit beeinflussen und inspirieren. Der Aktivismus bekommt damit Gesichter, statt sich nur auf allgemeine theoretische Forderungen zu beschränken.
Fazit
„Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch“ – ein klares Statement, das von Kristina Lunz sicher bewusst nicht als Forderung, sondern als gewünschter Zielzustand schon im Titel des Buchs formuliert wird. Dafür liefert sie zahlreiche, in sich sehr schlüssige Erläuterungen und Argumente.
Mein Leseziel habe ich mit diesem Buch erreicht: eine größtenteils leicht verständliche Einführung in eine Thematik zu erhalten, mit der ich mich bislang nicht näher beschäftigt hatte. Interessierten Leser*innen mit ähnlicher Ausgangslage sei die Lektüre damit sehr ans Herz gelegt. Langweilen wird sie aber auch Menschen mit mehr Vorwissen hierzu auf gar keinen Fall, sondern im Gegenteil einen wichtigen Beitrag zu diesem aktuellen Diskurs leisten.
Bewertung
(Danke an Netgalley und Ullstein Buchverlage für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)