Jovana Reisinger – Spitzenreiterinnen (Rezension)

Buchcover Jovana Reisinger Spitzenreiterinnen
(Copyright: Verbrecher Verlag)

Erscheinungsdatum: 23.02.2021
(Verbrecher Verlag, 270 Seiten, ISBN 3957324726)

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Inhalt

An fünf einzelnen Tagen, über gut vier Monate verteilt, begleiten wir acht Frauen durch Episoden in ihrem Leben – darunter der Valentinstag und der Weltfrauentag, auch bekannt als feministischer Kampftag. Und tatsächlich hat jede der Frauen ihre eigenen Kämpfe auszustehen: Sexismus am Arbeitsplatz, ungewollte Kinderlosigkeit, ungewollte Mutterschaft, Selbstaufgabe um dem (künftigen) Ehemann zu gefallen, Gewalt durch den langjährigen Ehemann, um nur einige Beispiele zu nennen. Einige der Frauen kennen einander, manche sind verwandt, einige lernen einander kennen, manche haben gar nichts miteinander zu tun. Was haben sie trotz aller Unterschiede gemeinsam?

Meine Meinung

Die besagten acht „Spitzenreiterinnen“ heißen Laura, Petra, Barbara, Lisa, Tina, Emma, Jolie und Verena – und natürlich soll man bei diesen Namen nicht zufällig an Frauenzeitschriften denken. Jede der Frauen und ihre jeweilige Geschichte steht für eine Vielzahl von Klischees, die durch solche Magazine verbreitet und teilweise sogar gefeiert werden. Männernamen kommen in diesem Buch nur abgekürzt („D.“, „C.“) vor. Im Text wird ihnen damit bewusst nur wenig Raum gegeben, letztendlich bestimmen sie aber das Handeln jeder der Frauen – teilweise sogar über ihren eigenen Tod hinaus.

Sehr eindrücklich im Kopf geblieben ist mir vor allem die Geschichte von Laura, die allen möglichen Schönheitsidealen nacheifert, um ihrem Verlobten zu gefallen – inklusive kosmetischer Vaginalverjüngung! (Ich habe mich nicht getraut, zu recherchieren, ob es derartige Mittelchen wirklich gibt – am Ende zeigt mir Google sonst dauernd Werbung dafür! -, vermute aber stark, dass es tatsächlich so ist.) Und besonders nahe ging mir die Geschichte von Tina, die einen Alptraum aus häuslicher Gewalt durchleidet und damit stellvertretend für viele Frauen steht, die sich nicht oder nur sehr schwer aus toxischen Beziehungen befreien können.

Einige andere Geschichten habe ich sicher etwas weniger gebannt verfolgt; sei es, weil die Figuren für mich ein wenig blasser blieben oder mich die Thematik einfach weniger ansprach – dies galt zum Beispiel für die Geschichte über Barbara und den ihr zugelaufenen Hund -, aber das liegt in der Natur von Episodenromanen. Letztlich haben mich dennoch alle Geschichten interessiert und ich habe keine gelangweilt überblättert.

Jovana Reisinger schreibt mit einem sympathischen süddeutschen Einschlag viele Wahrheiten, die unangenehm sind und manchmal wehtun. Weil man sich in der einen oder anderen Frauenfigur, ihren Verstrickungen und ihrem Gehader durchaus wiedererkennt. Vieles ist auf die Spitze getrieben, aber nie zu unglaubwürdig dargestellt. Diese acht Frauen könnte es wirklich geben, oder besser gesagt: Genau so oder sehr ähnlich gibt es sie zuhauf und ein bisschen von einer oder mehreren von ihnen steckt wahrscheinlich in jeder von uns. Ich habe mich angesprochen gefühlt, manchmal ertappt, manchmal abgestoßen – mitfühlen konnte ich aber mit jeder der Frauen.

Thalia
(*)

Fazit

„Spitzenreiterinnen“ ist ein wichtiges Buch über die Identität von Frauen in der heutigen Zeit, die durch Rollenzwänge, anerzogene Stereotype und ewig den gleichen Müll reproduzierenden Medien wie die besagten Frauenzeitschriften beeinflusst wird – stärker vielleicht, als es vielen von uns bewusst ist.

Ich habe das Buch als Satire aufgefasst, und der stellenweise fast schwarze Humor ist sicherlich nicht für jede*n etwas. Wenn man sich aber darauf einlassen kann, wird einem hier und da auch mal ein Lachen entlockt, das gleich darauf im Halse stecken bleibt.

Eine kleine Formalie: Leider ist im Lektorat der eine oder andere Fehler übersehen worden. Viele wird das nicht stören, ich bin aber einige Male darüber gestolpert. Vielleicht kann das bei einer nächsten Ausgabe verbessert werden. Dass eine solche kommt, hoffe ich doch sehr stark – denn dieses Buch hat viele Leser*innen verdient! Ich empfehle es nicht nur Frauen, sondern auch Männern, denen möglicherweise ganz neue Perspektiven zu Themen eröffnet werden, die für viele Frauen alltäglich und altbekannt sind.

Bewertung

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