Tomasz Jedrowski – Im Wasser sind wir schwerelos (dt. von Brigitte Jakobeit) (Rezension)
Erscheinungsdatum Hardcover: 02.03.2021
(Hoffmann und Campe, 224 Seiten, ISBN 978-3-455-01117-3)
Erscheinungsdatum Taschenbuch: 04.06.2022
(Hoffmann und Campe, 224 Seiten, ISBN 978-3-455-01139-5)
Erhältlich bei:
Inhalt
Ludwik ist verliebt in Janusz und erlebt mit ihm kurz nach seinem Examen unbeschwerte Tage an einem See. Doch über den beiden pendeln dunkle Schatten, denn die Geschichte spielt sich in Polen im Jahr 1980 ab, Arbeiteraufstände toben, es gilt das Kriegsrecht – und ganz unabhängig davon ist Homosexualität verpönt und darf keinesfalls öffentlich ausgelebt werden. Ludwik will aus diesem System ausbrechen und frei im Westen leben, Janusz ist regimetreu und geht den Weg des aus seiner Sicht geringsten Widerstands – hat ihre Liebe eine Zukunft?
Meine Meinung
„Im Wasser sind wir schwerelos“ ist als eine Art Briefroman verfasst. Ludwik spricht Janusz durchgängig direkt an und schildert die gemeinsamen Erlebnisse im Rückblick. Für mich kam durch dieses Stilmittel eine sehr unmittelbare Nähe zu Ludwiks Gedanken zustande. Janusz blieb mir naturgemäß etwas ferner; seine Handlungen waren für Ludwik nicht immer nachvollziehbar und damit auch für mich beim Lesen nicht. So wurde mir nicht uneingeschränkt klar, ob Ludwik für Janusz denselben Stellenwert hatte wie dieser umgekehrt für ihn. Gerade das unterstrich aber die Zerrissenheit, die auch Ludwik verspürt haben muss.
Ludwiks Sehnsucht nach einem freien Leben steht die Unmöglichkeit gegenüber, in der vorherrschenden Situation mit Janusz unbeschwert zusammen sein zu können, und die daraus resultierenden inneren wie äußeren Konflikte waren für mich dank der eindringlichen und sehr poetischen, aber keineswegs überladenen Sprache spür- und greifbar. Auch Ludwik handelt vielleicht nicht immer umsichtig, aber stets aus verständlichen Motiven heraus.
Apropos Sprache: Ich wusste anfangs nicht, dass das Buch übersetzt ist – was definitiv ein Kompliment für die Übersetzerin Brigitte Jakobeit ist. Noch mehr überraschte mich, dass Tomasz Jedrowski deutscher Muttersprachler ist, seinen Debütroman aber trotzdem auf Englisch verfasst hat. Es reizt mich nun, das Buch auch noch im Original zu lesen. Dieses heißt übrigens „Swimming in the dark“, was mir gut gefällt – den deutschen Titel finde ich aber sogar noch ein klein wenig passender, weil er unterstreicht, dass Ludwik und Janusz zusammen nur in ihrer ganz eigenen Blase der Sommertage am See in Frieden leben können.
Die politische Situation im Polen der damaligen Zeit wird größtenteils nur angerissen; diese Andeutungen laden aber zu weiterer Recherche zu der Thematik ein. Mir bis dato unbekannt war außerdem der Antisemitismus in Polen, der in den 1970er Jahren die Familie des Jungen, für den Ludwik als Kind erste zarte Gefühle entwickelte, zur Emigration veranlasste.
Für mich persönlich ganz rund hätte die Geschichte eventuell noch ein Ausblick ins „Heute“ gemacht. Da sich das Geschehen vor über 40 Jahren abspielte, wäre es für mich interessant gewesen, wie das Leben der Protagonisten seitdem verlaufen ist. Das ist natürlich eine ganz subjektive Präferenz meinerseits und kann keine echte Kritik an dem Buch sein – aber am Ende ist dies vielleicht das Quäntchen, das mich von der Vergabe der vollen Punktzahl abhält. Ich spreche dennoch eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses Buch aus, denn sprachlich wie emotional ist es definitiv ein Highlight.
Fazit
„Im Wasser sind wir schwerelos“ ist die sehr berührende Geschichte einer aufkeimenden Liebe, die nicht sein darf – nicht in dieser Zeit, nicht in dieser Umgebung, und das alles ist verpackt in eine sehr packende und eindrucksvolle Sprache. Tomasz Jedrowksi hat mit seinem Debütroman ein ganz besonderes Stück Literatur geschaffen – ich bin gespannt auf weitere Bücher von ihm.
Bewertung
(Dieses Buch habe ich zusammen mit dem Instagram-Buchclub „Mädels, die lesen“ gelesen – vorbeischauen lohnt sich!)