Melanie Metzenthin – Unsere kurze Ewigkeit (Rezension)
Erscheinungsdatum: 03.05.2024
(Piper, 416 Seiten, ISBN 978-3492063975)
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Inhalt
1882: Margarethe von Ende gilt mit Ende 20 in der Gesellschaft bereits als „alte Jungfer“ und arbeitet als Gouvernante – trotz ihrer adeligen Herkunft in einem bürgerlichen Haushalt, was ihrer Mutter, einer geborenen Gräfin, gar nicht zusagt. Kein Problem hat letztere aber, als ihre Tochter schließlich „doch noch“ einen Ehemann findet: Zwar gehört auch er dem Bürgertum an, ist aber niemand Geringeres als der Erbe der großen Essener Krupp-Dynastie.
Margarethe beweist schnell, dass sie mehr ist als nur eine Ehefrau. Sie kümmert sich nicht nur um die wachsende Familie, sondern springt auch wiederholt in beruflichen Belangen für ihren kränklichen Gatten Fritz ein. So wird sie nach und nach zu einer wichtigen Stütze des Familienunternehmens – insbesondere, als Fritz sich immer weniger und irgendwann gar nicht mehr einbringen kann …
Meine Meinung
Ich habe mit großer Begeisterung bereits mehrere andere Romane von Melanie Metzenthin gelesen, insbesondere die „Hafenschwester“-Trilogie. Auch „Unsere kurze Ewigkeit“ ist wieder im gewohnt flüssigen und einfühlsamen Stil geschrieben, der geschickt historische Belange mit den privaten Angelegenheiten der Protagonist*innen verknüpft. Eine Biographie will das Werk nicht sein, hangelt sich aber an vielen belegten Erlebnissen aus dem Leben der historischen Persönlichkeiten Margarethe und Fritz Krupp entlang.
Die Protagonist*innen sind als Menschen mit Stärken und Schwächen sehr authentisch gezeichnet. Ihre Ehe ist von emotionaler Nähe bei gleichzeitiger körperlicher Distanz geprägt. Immer wieder „flüchtet“ Fritz sich mit zunehmendem Alter zu meeresbiologischen Forschungen auf die italienische Insel Capri und holt seine Jugend nach, mehr als einmal werden ihm in der Öffentlichkeit homosexuelle Neigungen nachgesagt. Reine Verleumdung durch Neider – in der damaligen Zeit galten homosexuelle Handlungen noch als skandalös und standen unter Strafe – oder Wahrheit? Ganz eindeutig erfahren wir es nie.
Obwohl Margarethes Leben als Ehefrau im Mittepunkt der Story steht, ist „Unsere kurze Ewigkeit“ keinesfalls als Liebesroman abzutun. Vielmehr wird über die Ehe hinaus das Familienimperium für Margarethe nach und nach zur Lebensaufgabe. Insbesondere nach dem Tod ihres Schwiegervaters, in dessen Fußstapfen sein Sohn nie vollständig treten kann, muss sie sich in einer von Männern dominierten Welt behaupten. Dabei bietet der Roman einen faszinierenden Einblick in die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen der damaligen Zeit. Margarethes Entwicklung von einer Frau, die trotz ihrer adeligen Herkunft keine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielt, zur starken Matriarchin der Krupp-Dynastie, ist beeindruckend und inspirierend.
An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir noch etwas mehr Tiefe gewünscht. So manches Ereignis wird im „Schnelldurchlauf“ erzählt, wo ich mir eine ausführlichere Darstellung gewünscht hätte. Bei einer erzählten Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten ist das wiederum auch nachvollziehbar.
Fazit
Besonders beeindruckend ist – wieder einmal – auch in „Unsere kurze Ewigkeit“ die Art und Weise, wie Melanie Metzenthin historische Ereignisse mit persönlichen Schicksalen verwebt, um ein lebendiges und authentisches Bild der Zeit zu zeichnen, in der die Geschichte spielt. Eine klare Leseempfehlung für alle, die sich für Geschichten über Liebe, Verlust und starke Frauenfiguren vor zeitgeschichtlichem Hintergrund interessieren.
(Danke an den Piper Verlag und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)