Jarka Kubsova – Marschlande (Rezension)

Buchcover Jarka Kubsova Marschlande
(Copyright: S. Fischer Verlage)

Erscheinungsdatum: 30.08.2023
(S. Fischer Verlage, 320 Seiten, ISBN 978-3103974966)

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Inhalt

Britta ist Mitte 40 und auf Wunsch ihres Ehemanns mit ihm und den beiden Kindern aus der Hamburger Innenstadt raus aufs Land, genauer gesagt in die umgebenden so genannten Marschlande gezogen. Und einzig ihr Mann Philipp ist es auch, der von der neuen Wohnsituation angetan ist, während der Rest der Familie sich verloren fühlt und den Trubel der Stadt vermisst. Britta beginnt zu hinterfragen, wie sie in ihr jetziges Leben geraten ist, in dem sie als promovierte Geologin „nur noch“ Hausfrau und Mutter und alles andere als zufrieden ist.

Eher zufällig stößt sie bei der Erkundung der neuen Umgebung auf den Straßennamen „Abelke-Bleken-Ring“ und beginnt zu recherchieren: Vor beinahe 500 Jahren lebte besagte Abelke Bleken in der Gegend, eine unverheiratete Bäuerin, die ihren Hof allein bewirtschaftete – bis dieser ihr weggenommen wurde und ihr selbst ein noch viel grausameres Schicksal drohte, denn eigenständig lebende Frauen gerieten in diesem dunklen Kapitel der Vergangenheit schnell in den Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu stehen … Welche Bedeutung hat Abelkes Lebensgeschichte für Brittas Situation und allgemein für Frauen auch noch in unserer Zeit?

Meine Meinung

Jarka Kubsova hat sich eines spannenden Themas angenommen: Die Verfolgung so genannter „Hexen“, die einen ihrer Höhepunkte im 16. Jahrhundert fand, hat auch knapp 500 Jahre später nichts von ihrem Schrecken verloren. Abelkes Schicksal steht stellvertretend für das Leid, dass unfassbar vielen Menschen zu jener Zeit widerfuhr, der Großteil davon waren Frauen.

Die Geschichte wechselt zwischen Brittas und Abelkes Erlebnissen hin und her, wobei mir der Vergangenheitsstrang um einiges besser gefiel. Schon nach der Einleitung ahnt man leider, wie es mit Abelke enden wird, aber das tut der Spannung keinen Abbruch. Wie Abelke zuerst enteignet und schließlich als „Hexe“ diskreditiert wird, ist erschütternd und sehr eindringlich geschildert.

In Brittas Geschichte werden immer wieder Parallelen zu Geschehnissen in Abelkes Leben gezogen.  Hier geht es zwar nicht um Leben und Tod, aber die Ungerechtigkeiten, die Britta und auch ihrer Tochter widerfahren, haben durchaus ihren Ursprung in der Vergangenheit, die hier am Beispiel von Abelkes Geschichte geschildert wird, wie die Autorin in einem sehr lesenswerten Nachwort erläutert. Denn: Abelke Bleken gab es wirklich und viele Details aus ihrem Leben sind überliefert. (Auch die nach ihr benannte Straße existiert tatsächlich in Hamburg-Ochsenwerder.) Jarka Kubsova hat mit der nötigen dichterischen Freiheit eine sehr plausible mögliche Rekonstruktion ihrer Geschichte geschaffen.

Eine komplette Vergleichbarkeit zwischen Abelkes Leben einerseits und Brittas Situation in der heutigen Zeit ist sicher nicht gegeben, denn selbstverständlich stehen Frauen wie Britta heutzutage andere Möglichkeiten offen als Abelke und ihren Zeitgenossinnen, um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Dennoch: In bestimmten Belangen hat sich in den letzten 500 Jahren nicht allzu viel geändert.

„Marschlande“ hat mich mitgenommen in eine raue Welt ungestümer Natur und unerbittlicher Kämpfe – früher aussichtslos, heute zumindest getragen von der Hoffnung, dass sich etwas verbessern kann. Abelke hat mich hierbei als Figur mehr berührt als Britta, die ich etwas gesichtslos gezeichnet fand und deren Handlungen ich auch nicht immer nachvollziehen konnte. Das ist aber nur ein sehr kleiner Kritikpunkt an einem mitreißenden und sehr aufwühlenden Roman.

Thalia
(*)

Fazit

„Marschlande“ ist eine perfekte Herbstlektüre – aber alles andere als ein Wohlfühlbuch, darüber sollte man sich vor dem Lesen im Klaren sein. Jarka Kubsova stellt einander zwei Frauenschicksale in verschiedenen Zeiten und mit ganz verschiedenen Ausgangslagen gegenüber, die aber auch im Abstand von fast 500 Jahren durch die gleichen Mechanismen beeinflusst werden.

Mich hat dieser Roman nachhaltig beschäftigt und ich empfehle ihn sehr gerne weiter. „Marschlande“ wird sicherlich als ein Highlight meines Lesejahrs 2023 zu bezeichnen sein.

(Danke an S. Fischer Verlage und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

Bewertung

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