Katharina Fuchs – Der Traum vom Leben (Rezension)
Erscheinungsdatum: 01.03.2023
(Droemer Knaur, 464 Seiten, ISBN 978-3426283943)
Erhältlich bei:
Inhalt
Anfang der 1990er Jahre: Die 17-jährige Luise Jensen ist Bauerstochter und Friseurin in einem ostfriesischen Dorf. Bei der Teilnahme an einem Friseurwettbewerb in Hamburg lernt sie den Starfriseur Udo Hammer kennen und erhält die Chance, mit ihm nach Paris zu reisen und die Models bei den Prêt-à-Porter-Shows zu frisieren – darunter namhafte Supermodels wie Naomi Campbell oder Kate Moss. Und plötzlich wird auch Luise als Model entdeckt, denn was ihr in ihrer ostfriesischen Heimat noch Spitznamen wie „Bohnenstange“ einbrachte, ist in der Hauptstadt der Mode mehr als gefragt: Ihre schlanken Maße bei einer Körpergröße von 1,86 m.
Schnell wird das „Landei“ Luise zur „belle Lou“ und lernt die schönen, aber auch die weniger schönen Seiten des Jetset-Lebens als gefragtes Laufsteg- und Fotomodell kennen …
Meine Meinung
Von Katharina Fuchs hatte ich schon vier Bücher gelesen, und mit „Lebenssekunden“ hat sie eines meiner Jahreshighlights im Jahr 2021 verfasst. Wiesen ihre vorherigen Romane meist Bezüge zu ihrer eigenen Familiengeschichte sowie politisch-historischen Gegebenheiten auf, was mir auch immer sehr zusagte, fand ich es dennoch erst einmal sehr erfrischend, dass sie sich in „Der Traum vom Leben“ mal eines ganz anderen Themas angenommen hat. (Auch wenn die 1990er Jahre natürlich tendenziell auch schon unter „Historie“ fallen – das Modebusiness aber nicht unbedingt unter Politik. 😉 )
Deutlich ist diesem Buch anzumerken, dass die Autorin selbst mal in Paris gewohnt hat und das Leben dort offenbar sehr mochte – viele Stellen lesen sich wie eine einzige Liebeserklärung an die Stadt. Für Luise, das Mädchen vom Land, könnte der Kontrast zu ihrer ostfriesischen Heimat nicht größer sein.
Umso überraschender scheint es, dass sie sich bereits nach wenigen Tagen ziemlich gut allein in dieser riesigen Stadt zurechtfindet – das Engagement bei Udo Hammer endet nämlich unter unschönen Umständen relativ schnell. Und dabei fand sich im ersten Teil der Geschichte doch noch die Aussage, Luise habe noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen wie am Hamburger Hauptbahnhof – in Paris dürfte vermutlich noch ein klein wenig mehr los sein. 😉 Auch ihre dürftigen englischen Sprachkenntnisse verbessern sich in rasendem Tempo, Kommunikationsprobleme gibt es kaum. Innerhalb der internationalen Modeszene mag das noch glaubhaft sein, aber dass selbst eine ältere Vermieterin mit Luise Englisch spricht, als sie bemerkt, dass diese kein Französisch versteht, scheint mir nicht sehr realistisch.
Es wird vielleicht bereits deutlich: Ich fand die Geschichte in großen Teilen leider etwas weit hergeholt, und sowohl Luises Entwicklung als auch die Ablösung von ihrer Familie und ihrer Heimat gingen mir einfach viel zu schnell. Fast ihr ganzes bisheriges Leben lang war sie als helfende Hand auf dem elterlichen Hof quasi unentbehrlich, nun macht sie „mal eben“ in Paris als Model Karriere und fährt nicht mal mehr zu Weihnachten nach Hause? Alle Beteiligten scheinen das einfach so hinzunehmen, ich fand es befremdlich.
Laut Nachwort basiert der Roman zwar auf der wahren Geschichte eines deutschen Models, aber es dürfte hier doch sehr viel dichterische Freiheit zum Zuge gekommen sein. Was natürlich bei der Bearbeitung eines solchen Stoffes nicht verboten ist, aber für mich las sich die Geschichte dadurch leider etwas flach, und auch Katharina Fuchs‘ Schreibstil, den ich eigentlich sehr mag, vermochte für mich keine echte Nähe zu Luise und ihrem Gefühlsleben herzustellen.
Aus meiner Sicht wird auch das Modelbusiness ein wenig zu rosarot geschildert. Ja, Luise wird ein bisschen von der Modelagentur übers Ohr gehauen, und deren Chef wird ihr gegenüber auch ein bisschen zudringlich – ich glaube aber (leider) nicht, dass das alles an negativen Erfahrungen sein kann, die ein derart junges und naives Mädchen, deren Leben sich bisher zwischen Kuhstall und Dorf-Friseursalon abspielte, in so einer Situation machen muss. Probleme wie Drogen- und Magersucht werden nur sehr am Rande thematisiert, obwohl sie gerade in der Ära der Supermodels und derjenigen, die es werden wollten, eine große Rolle gespielt haben dürften.
Und apropos Supermodels: Dass Naomi Campbell sich einer jungen neuen Kollegin, besser gesagt, Konkurrentin, so angenommen hätte, wie es hier dargestellt wird, dürfte ebenfalls komplett dem Reich der Fantasie entsprungen sein. Vielleicht hätte hier auch ein fiktives Model die Funktion in der Geschichte erfüllt, oder zumindest eines, von der die meisten kein so vorgefertigtes Bild im Kopf haben wie von Naomi Campbell.
Gut gefallen hat mir dennoch, wie es der Autorin gelungen ist, den Zeitgeist der frühen 1990er Jahre einzufangen. Musik, Lifestyle und natürlich vor allem die Mode dieser Ära werden lebendig transportiert und machen auf jeden Fall Lust darauf, mal wieder Lieder wie „Rhythm is a dancer“ anzuwerfen. 😉
Fazit
Katharina Fuchs schildert das Leben in der Pariser Modeszene als bunt, schillernd und pulsierend und blendet seine negativen Aspekte weitgehend aus – ein legitimer Ansatz, der mich aber leider nicht ganz überzeugt hat. Wer eine leicht zu lesende „Aschenputtel“-Geschichte mit viel Couleur der frühen 1990er Jahre sucht, ist hier aber definitiv richtig.
(Danke an Droemer Knaur und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)