Martina Bogdahn – Mühlensommer (Rezension)
Erscheinungsdatum: 11.04.2024
(Kiepenheuer & Witsch, 336 Seiten, ISBN 978-3462004786)
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Inhalt
Die Protagonistin Maria ist nach einer Kindheit und Jugend auf dem Land in die Stadt gezogen. Sie ist berufstätig in einer Werbeagentur, alleinerziehende Mutter von zwei Teenies und freut sich auf eine Wandertour mit ihren Töchtern und einer befreundeten Familie. Doch noch ehe es richtig losgehen kann, erreicht sie plötzlich ein Anruf vom elterlichen Hof, der alten Birkenmühle: Ihr Vater hatte einen schweren Unfall, die Mutter weiß weder ein noch aus.
Die ganze Familie kommt zusammen, auch Marias Bruder Thomas ist vor Ort, zu dem Maria nicht mehr viel Kontakt hat, obwohl sie als Kinder nahezu unzertrennlich waren. Alte Fehden brechen auf, und es stellt sich die Frage: Wie kann es mit der Mühle weitergehen, in einem Familiengefüge, unter dessen Oberfläche es brodelt?
Meine Meinung
„Mühlensommer“ wurde laut Widmung „Wegen Thees“ geschrieben – nun ist besagter Thees Uhlmann, seines Zeichens Musiker (früher Sänger der Band Tomte) und selbst Autor u. a. des Romans „Sophia, der Tod und ich“*, seit über 20 Jahren einer meiner größten Helden, was dem Roman von Martina Bogdahn natürlich die eine oder andere Vorschusslorbeere bei mir bescherte.
In „Mühlensommer“ wechselt sich die Rahmenhandlung mit ausführlichen Rückblenden in Marias Kindheit und frühe Jugend ab. Wir lernen liebenswerte und weniger liebenswerte Charaktere kennen, heute wie damals. Das Landleben wird hier keineswegs verklärt: Wir lesen von einer Kindheit ohne Urlaubsreisen, mit wenig Geld, dafür viel Arbeit, ewig langen Schulwegen. Nicht selten schämt sich Maria dafür, ein „Bauernkind“ zu sein und nach Schweinestall zu riechen. Auch schicke Markenkleidung ist für sie nicht in greifbarer Nähe.
Auf der anderen Seite steht die Verbundenheit zur Natur, zu den Tieren. (Aber Achtung: Es geht vorwiegend um Nutztiere – mit allen Konsequenzen, daher sei eine Inhaltswarnung für Gewalt gegen Tiere ausgesprochen.) Dadurch erlangt Maria Wissen, das ihr auch im späteren Leben noch von Nutzen ist und in herausfordernden Situationen sofort reaktiviert wird. Viele Begebenheiten haben sich vermutlich auch im Leben der Autorin so oder so ähnlich zugetragen, denn „Mühlensommer“ trägt dem Vernehmen nach eindeutig autobiographische Züge.
Obwohl ich die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit grundsätzlich sehr mochte, fand ich das Verhältnis nicht ganz ausgewogen. Die eine oder andere Begebenheit aus der Vergangenheit hätte für meine Begriffe kürzer geschildert werden können, während manche Figuren – zum Beispiel die Schwägerin Christiane – in der Gegenwart auf mich etwas holzschnittartig wirkten. Hier wäre eine ausführlichere Entwicklung der Geschichte und dem Verständnis vielleicht zuträglicher gewesen.
Sehr gelungen fand ich dann wieder das Ende, das mit einer für meine Begriffe guten Lösung aufwartete, dabei aber nicht zu viel „Friede, Freude, Eierkuchen“-Stimmung verbreitete.
Fazit
„Mühlensommer“ ist ein leicht zu lesender und einnehmender Roman, der eine wundervolle Atmosphäre verbreitet, warmherzig und an den richtigen Stellen humorvoll daherkommt und damit perfekt zum Sommer(start) passt. Wer selbst auf dem Land aufgewachsen ist, wird sich sicher in vielen Schilderungen wiederfinden.
Und einen Satz zum Übers-Bett-Hängen gibt es – in der Danksagung – auch: „Denn man weiß nie genau, wo es hingeht im Leben, aber doch immer, wo man herkommt.“
(Danke an Kiepenheuer & Witsch und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)