Adeline Dieudonné – 23 Uhr 12 Menschen in einer Nacht (dt. von Sina de Malafosse) (Rezension)

Buchcover Adeline Dieudonne 23 Uhr 12 Menschen in einer Nacht
(Copyright: dtv)

Erscheinungsdatum: 18.05.2022
(dtv, 161 Seiten, ISBN 9783423290227)

Erhältlich bei:

Inhalt

23 Uhr 12 an einer Autobahnraststätte in den Ardennen: 12 Personen treffen aufeinander, darunter die Mitarbeiter*innen der Tankstelle, eine Pole-Dance-Trainerin, ein Handelsvertreter für Milben, eine Leiche und ein Pferd. Und ja, auch das Pferd ist eine Person, denn auch ihm ist eine eigene der 12 nur lose zusammenhängenden Episoden dieses Romans gewidmet, die sogar von ihm selbst erzählt wird. Auch die menschlichen Hauptfiguren sind allesamt skurrile Persönlichkeiten. Einige von ihnen kennen sich, treffen kurz und manchmal unerkannt aufeinander, beeinflussen sich gegenseitig. Was führt sie alle in diesem Augenblick am gleichen Ort zusammen?

Meine Meinung

Eins muss man Adeline Dieudonné lassen: Sie hat eine überbordende Fantasie und versteht es, uns Leser*innen in abgedrehte, oft surreale Gefilde zu entführen. Ihr Schreibstil hat etwas Einnehmendes, das einen förmlich an ihre Geschichten fesselt, auch wenn sie unangenehme Themen behandeln. Und davon gibt es in diesem Buch viele – für meinen Geschmack zu viele.

So gebannt ich einige der Storys verfolgt habe, so sehr haben sie mich gleichzeitig abgestoßen. Ich möchte hier nicht zu viel vom Inhalt verraten, aber um einen Delfin (!) sexuelle Gewalt (!!) gegenüber einem Menschenkind (!!!) ausüben zu belassen, bedarf es schon eines gewissen Ideenreichtums. Hier ist es Adeline Dieudonné wieder einmal gelungen, was sie bei mir schon mit einigen plakativen Szenen in ihrem Roman „Das wirkliche Leben“ geschafft hat: Sie beschwört gruselige Bilder im Kopf herauf, die man so schnell nicht wieder loswird. (Oder auch nie wieder – das eben erwähnte Buch habe ich vor immerhin zwei Jahren gelesen und die Hoffnung aufgegeben, dass eine bestimmte Szene jemals wieder aus meinem Gedächtnis verschwinden wird. Ähnlich wird es wohl mit dem Delfin, der einen auch noch so harmlos vom Cover dieses Buchs angrinst … Aber Schluss damit.)

Waren mir viele der Geschichten zu hart und verursachten ein unangenehmes Gefühl in meiner Magengrube – ich hätte das Buch vielleicht nicht vor dem Einschlafen lesen sollen … -, rauschten andere einfach so vorbei und blieben nicht bei mir haften. Ich fürchte, die eine oder andere Story habe ich auch nicht in ihrer Gänze erfasst. Am Ende blieben viele Fragezeichen stehen. Für meinen Geschmack hätten die Figuren ruhig noch stärker miteinander verbunden werden können; mir fehlte letztlich ein roter Faden. Somit finde ich nicht, dass wir es hier mit einem „Roman in 12 Geschichten“ zu tun haben, wie es auf dem Cover steht. Für mich fühlte es sich eher an wie eine Kurzgeschichtensammlung, deren einzelne Episoden die „Rahmenhandlung“ um die Begegnung an der Raststätte eigentlich nicht gebraucht hätten, sondern einfach für sich stehen könnten.

Schlussendlich kann ich nicht richtig in Worte fassen, was dieses Buch mit mir gemacht hat – dass es mich verstört hat, trifft es vielleicht am ehesten. Und ich sage das nicht oft, aber: Ich war froh, als es vorbei war, was zum Glück nach nur 161 Seiten recht zügig der Fall war.

Thalia
(*)

Fazit

Da ich „Das wirkliche Leben“ wirklich sehr gemocht habe – obwohl es ebenfalls harten Tobak bietet -, hatte ich mich sehr darauf gefreut, auch „23 Uhr 12 Menschen in einer Nacht“ zu lesen. Gefallen hat es mir dann leider aus den genannten Gründen nur an sehr wenigen Stellen. Dennoch vergebe ich mit 3 Sternen einen mehr, als es mein persönliches Leseerlebnis per se rechtfertigen würde – denn ich erkenne durchaus die große Erzählkunst von Adeline Dieudonné an, die eine Intensität an den Tag (oder die Nacht) legt, der man sich nur schwer entziehen kann.

Empfehlen kann ich das Buch aber nur Fans von sehr abgedrehten Charakteren und Figurenkonstellationen, denen Gewalt und eher unappetitliche Beschreibungen sexueller Handlungen nichts ausmachen. Ich für meinen Teil wünsche mir, dass die Autorin beim nächsten Mal vielleicht doch wieder ein etwas „gemäßigteres“ Werk verfasst!

Bewertung

(Danke an dtv und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

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