Christian Huber – Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Rezension)
Inhalt
Der 15-jährige Pascal, genannt Krüger, erlebt einen epischen Sommertag – genauer gesagt, den 31. August, den letzten Sommertag des Jahres 1999. Eigentlich wäre er an diesem heißen Tag lieber im Bett geblieben, da es in seinem verschnarchten bayrischen Wohnort Bodenstein ohnehin nichts Spannendes gibt, und schwimmen gehen kann er wegen eines Geheimnisses, das lange im Dunkeln bleibt, auch nicht. Als Krüger sich widerwillig doch von seinem besten Freund Viktor überreden lässt, mit nach draußen zu kommen, überschlagen sich die Ereignisse: Das Zirkusmädchen Jacky stolpert wie ein Wirbelwind bei einem Kaufhausdiebstahl in sein Leben, und von da an wird alles anders …
Meine Meinung
Im Sommer 1999 war ich ungefähr in Pascals Alter, deshalb hat mich das Setting von „Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ sofort angesprochen, obwohl ich eigentlich kein großer Fan von Coming-of-Age-Romanen bin. Das Lebensgefühl von „damals“ (so lange ist das doch noch gar nicht her?!) wird auch tatsächlich für meine Begriffe unheimlich gut transportiert. Zu vielen der erwähnten Lieder („Mit dir“ von Freundeskreis!) und Gimmicks (weinroter EastPak!) habe ich ebenfalls einen Bezug. Zudem habe auch ich den Sommer 1999 mit einem besonderen und vertrauten Menschen geteilt, ähnlich wie Krüger mit seinem besten Freund Viktor.
Die Voraussetzungen für eine gelungene Sommerlektüre waren also gegeben – allerdings blieb die Geschichte ein klein wenig hinter meinen Erwartungen zurück. Das Buch ist zwar sehr gut zu lesen, und obwohl nur der Verlauf eines einzigen Tages beschrieben wird, kamen meiner Meinung nach keine Längen auf. Allerdings ist vielleicht die Konzentration auf diesen einen Tag trotzdem die größte Schwachstelle des Buchs, die ich benennen kann: Für einen Tag erlebt Krüger schon extrem viel und auch extrem Abgedrehtes. Ich fand das an mancher Stelle nicht sehr glaubwürdig. Die Partyszene hätte ein wenig „dezenter“ ausfallen können, und auch das Ende des Tages war für meinen Geschmack etwas übertrieben. Hier wäre etwas weniger aus meiner Sicht dann doch mehr gewesen.
Viele Figuren waren mir ebenfalls etwas zu klischeehaft gezeichnet. Der linkische und unsichere Krüger, der superselbstbewusste beste Freund (der aber trotzdem sein Päckchen zu tragen hat, hier in Form eines strengen Vaters), das „wilde“ Zirkusmädchen, der coole Skater, die beliebten und unerreichbaren Mädels aus der Oberstufe als Gastgeberinnen besagter Party, die gefährliche Rockergang – das wirkte alles ein bisschen wie aus dem Lehrbuch für einen Coming-of-Age-Roman. 😉 Ein paar „normalere“ Charaktere hätten der Geschichte gut zu Gesicht gestanden, ohne dass es direkt langweilig hätte werden müssen.
Sehr gespannt war ich auf die Auflösung von Krügers Geheimnis, aufgrund dessen er nicht mehr schwimmen gehen kann und meint, sich auch nicht verlieben zu dürfen – und hiervon bin ich nicht enttäuscht worden. Gewisse Andeutungen gab es zwar bereits im Verlauf der Geschichte und ich entwickelte die eine oder andere Idee, die dann auch nicht ganz weit weg von der Wahrheit war, aber in allen Details habe ich die Auflösung nicht erahnen können. Das bescherte mir einen gelungenen und auch überzeugenden Überraschungsmoment und der Autor hat aus meiner Sicht eine plausible Erklärung für Krügers nicht ungerechtfertigte Ängste gefunden.
Insbesondere gefiel mir dann auch noch mal der Schluss, der mit einem Sprung ins Hier und Jetzt aufwartet. Hier laufen einige Fäden zusammen (oder auseinander?) und ich kam nicht umhin, darüber nachzudenken, was aus meinen eigenen Freundschaften und Bekanntschaften aus dem Jahr 1999 geworden ist. Am Ende gab es also noch mal emotionale Momente, die mich über die eine oder andere Schwäche der Geschichte hinwegsehen ließen, sodass ich mit dem guten Gefühl zurückblieb, ein berührendes Buch gelesen zu haben, das perfekt zum Sommer passt.
Fazit
Rein emotional hat Christian Huber mit „Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ definitiv einen Nerv bei mir getroffen. Ich fühlte mich sehr in die beschriebene Zeit zurückversetzt und habe deshalb auch echtes Interesse an Krüger entwickelt. Dafür verzeihe ich gern die eine oder andere Schwachstelle in der Ausgestaltung der Figuren und der Geschichte. Ein tolles Sommerbuch für ehemalige 90er-Jahre-Teenies – und für alle, die gern wüssten, wie es sich als Teenie in den 90er Jahren so lebte. 😉
Tipp: Allen, die dieses Buch mochten, kann ich auch „Der große Sommer“ von Ewald Arenz sehr ans Herz legen.
Bewertung
(Danke an dtv und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)