Daniela Krien – Mein drittes Leben (Rezension)
Erscheinungsdatum: 21.08.2024
(Diogenes, 304 Seiten, ISBN 978-3257073058)
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Inhalt
In ihrem zweiten Leben, den ersten etwa 20 Jahren ihres Daseins als Erwachsene, hatte Linda alles: einen guten Job als Kuratorin, eine glückliche Ehe mit dem Maler Richard, aus der die gemeinsame Tochter Sonja hervorging. Gut situiert lebte die Familie, zu der auch zwei Kinder aus Richards erster Ehe gehörten, in einem bildungsbürgerlichen Umfeld, ohne echte Probleme außer den üblichen Alltagssorgen.
Die Idylle wird jäh zerstört, als Sonja mit 17 Jahren tödlich verunglückt. Lindas Welt gerät aus den Fugen, sie kann nicht mehr arbeiten, wird selbst schwer krank, betäubt sich mit Medikamenten. Schließlich zieht sie aufs Land und lässt Richard allein in der gemeinsamen Wohnung zurück.
In diesem dritten Leben, wie sie es nennt, erkämpft sich Linda mühsam zumindest einen Teil dessen zurück, was mit ihrer Tochter gegangen ist. Es wird nie wieder so werden wie zuvor – aber stehen am Ende trotzdem Hoffnung und die Chance auf bessere Zeiten?
Meine Meinung
Daniela Krien ist seit „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ eine meiner Lieblingsautorinnen. So hatte ich mich auch auf „Mein drittes Leben“ trotz des traurigen Themas sehr gefreut. Und wieder einmal ist es der Autorin gelungen, mich in ihren Bann zu ziehen.
Die Beschreibung von Lindas Leid, ihrer Trauer und ihrem Umgang damit treffen schmerzlich voll ins Schwarze. Eine Identifikation mit der verwaisten Mutter fällt leicht, ohne dass man selbst je in einer ähnlichen Situation gewesen sein muss. Wie immer findet Daniela Krien genau die richtigen Worte und lässt auch Nebenfiguren wie Lindas Bekannte Natascha und deren behinderte Tochter lebendig erscheinen und auf treffende Art authentisch wirken. Auch an die ums Leben gekommene Tochter Sonja wird bildreich erinnert, was Lindas Verlust umso greifbarer macht.
Es geht um die Auseinandersetzung mit sich selbst in einer der größten denkbaren Krisen, in denen sich ein Mensch wiederfinden kann. Um Schicksal, Akzeptanz und darum, dass es weitergeht – nicht immer gut, aber irgendwann vielleicht doch besser, als es in den dunkelsten Stunden den Anschein hat.
„Mein drittes Leben“ bejaht am Ende eben dieses dritte Leben, auch wenn Linda sich nie gewünscht hätte, es eines Tages führen zu müssen. Und geht weit über die Vermittlung der platten Botschaft „Die Zeit heilt alle Wunden“ hinaus – nein, manche Wunden werden niemals geheilt werden können, aber sie können mit der Zeit verblassen und vernarben, bleiben sicht- und spürbar, tun irgendwann aber vielleicht weniger weh, als man lange zu hoffen gewagt hätte.
Fazit
„Mein drittes Leben“ erzählt eine bewegende und berührende Geschichte, die ich, wie alle Bücher von Daniela Krien, nur wärmstens weiterempfehlen kann – allen, die sich den Themen Trauer, Krankheit und Tod gewachsen fühlen.
Ein wenig erinnerte mich das Setting des Romans an „Über Menschen“ von Juli Zeh, auch wenn die Landflucht der Protagonistin dieser Geschichte einen ganz anderen Grund hat. „Mein drittes Leben“ bohrt vielleicht noch tiefer an existenziellen Fragen und hat mich deshalb noch viel stärker für sich eingenommen.
Bewertung
(Danke an Netgalley und Diogenes für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)