Ewald Arenz – Die Liebe an miesen Tagen (Rezension)
Erscheinungsdatum: 16.01.2023
(DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG, 384 Seiten, ISBN 3832182047)
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Inhalt
Clara will ihr Haus verkaufen, Vera interessiert sich dafür und bringt zur Besichtigung ihren Freund Elias mit. Eine folgenschwere Begegnung, denn Clara und Elias spüren von Beginn an eine besondere Bindung zueinander und verlieben sich. Beide haben ihre eigenen Geschichten im Gepäck: Clara ist älter als Elias und Witwe, Elias hat eine Teenager-Tochter.
In den ersten großen Gefühlsrausch schleichen sich auch immer wieder Zweifel, ob sie als Paar funktionieren können – und plötzlich stellt eine große Veränderung alles, was sich zwischen ihnen entwickelt hat, noch einmal komplett auf den Kopf … Wird ihre Liebe auch die titelgebenden miesen Tage überstehen?
Meine Meinung
Vorweg gesagt: Ich mag eigentlich keine Liebesromane. Ich mag aber eigentlich auch keine Coming-of-Age-Geschichten, und trotzdem hat mir „Der große Sommer“ von Ewald Arenz wahnsinnig gut gefallen, weil er einfach einen so besonderen Schreibstil hat, plastisch, klar, in jeder Hinsicht „relatable“ (wer eine passende deutsche Übersetzung findet, bitte mitteilen). Deshalb war für mich von vorneherein klar, dass ich auch sein neuestes Buch sofort lesen muss. In der Hoffnung, es würde die Genregrenze für mich auch diesmal sprengen.
Vieles spricht dafür, dass das auch hätte funktionieren können. Clara und Elias sowie auch die Nebencharaktere – etwa Elias’ Tochter Jule, besonders aber Claras Bruder Jan, ihre demente Mutter und ihren etwas lebensfremden Vater – fand ich sympathisch und liebenswürdig, mit Ecken und Kanten aber auch sehr realitätsnah gezeichnet. Besonders gefallen haben mir die verbalen Schlagabtäusche zwischen Clara und Jan – als Einzelkind stelle ich mir exakt so eine funktionierende Bruder-Schwester-Beziehung vor und bin durchaus etwas neidisch geworden. 😉 Aber auch zwischen Clara und Elias fallen in liebevoller Manier schon nach kurzer Bekanntschaft Sprüche, die man eigentlich nur äußern kann, wenn man einander sehr nahe steht und vertraut, sodass wir Leser*innen einfach merken: Bei den beiden passt es.
Auch Ewald Arenz‘ Schreibstil hat mir erneut sehr zugesagt. Er erzählt so spür- und greifbar von Schnee im April und der besonderen Atmosphäre nachts in der Stadt, dass ich oft das Gefühl hatte, selbst dabei zu sein oder zumindest alles vor mir zu sehen.
Aber dennoch: Mich hat die Geschichte leider nicht vollends überzeugt. Und das lag am Ende vielleicht doch daran, dass ich sie als reinen Liebesroman empfunden habe. Wenn auch zum Glück einen vollkommen kitschfreien Liebesroman – es gibt hier kein lästiges „Rumgeeiere“, das auf einem steinigen Weg voller alberner Missverständnisse zum unvermeidlichen und vorhersehbaren Happy End führt, denn Clara und Elias sind zwei gestandene und realistische Charaktere und nicht bloß irgendwelche RomCom-Karikaturen. Und natürlich liefert der Roman durchaus auch noch andere Ebenen und Themen – zum Beispiel die bereits erwähnte Demenz von Claras Mutter oder das Vater-Tochter-Verhältnis zwischen Elias und Jule. Aber dennoch kreist letztlich alles um Clara und Elias und ihre Beziehung, und für mich hatte die Erzählung insbesondere im Mittelteil ein paar Längen.
Manches war mir auch etwas zu explizit erzählt – und nein, damit meine ich keine Sexszenen, sondern Schilderungen aus den Gefühlswelten beider Hauptfiguren. Mir hätte eine weniger allwissende Erzählperspektive besser gefallen; das ist aber natürlich eine persönliche Präferenz und dem Autor nicht anzulasten.
Am Ende werden Clara und Elias von einem Schicksalsschlag gebeutelt, mit dessen Ausgestaltung ich ebenfalls nicht ganz zufrieden war – das kann ich hier leider nicht erläutern, ohne zu spoilern, und mir fehlen definitiv auch die Fachkenntnisse, um die Realitätsnähe dieser Geschehnisse einzuschätzen. Aber mir schien insbesondere die „Auflösung“ etwas zu dick aufgetragen.
Fazit
Ich hatte mich sehr auf das neue Buch von Ewald Arenz gefreut und hätte es wirklich sehr gerne genauso so sehr gemocht wie „Der große Sommer„ und vor allem „Alte Sorten“. Tatsächlich hatte ich sogar gehofft, es würde ein erstes großes Lesehighlight im neuen Jahr werden – leider hat das für mich nicht geklappt. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch, vielleicht sind Liebesromane aber auch einfach wirklich nicht mein Genre; egal, wer sie schreibt.
Dennoch: Wer Liebesromane lieber mag als ich, dem möchte ich „Die Liebe an miesen Tagen“ ans Herz legen, denn Ewald Arenz erzählt frei von Kitsch von großen Gefühlen und findet stets passende Worte auch für Gedanken, die man eigentlich nur schwer in Worte fassen kann.
Bewertung
(Danke an den DuMont Buchverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)
Danke für die differenzierte Rezension, die mich sehr angesprochen hat. Ich fand den Roman leider doch sehr kitschig an vielen Stellen und insbesondere die einfallslose Sprache hat mich gefuchst. Ich war drauf und dran mal zu zählen, wie oft die Wörter „kühl“, „boshaft“ und „grabesdüster“ vorkommen. Die interessanten Nebenfiguren haben das Buch leider nicht mehr herausgerissen.
Hallo Katrin, vielen Dank für die Rückmeldung! Ich kann es verstehen, jeder Mensch hat vielleicht seine eigene „Kitschgrenze“ und meine war bei diesem Buch glücklicherweise noch nicht überschritten. 😉 Aber ich kann diese Sichtweise nachvollziehen und fand ja das Ende leider sehr überzogen und nicht mehr realistisch. Sehr schade! Falls du sie noch nicht kennst, kann ich aber die anderen Bücher von Ewald Arenz sehr empfehlen. 🙂
Ich bin ein absoluter Ewald Arenz Fan, angefangen mit den Alten Sorten. Seine Romane sind konstruiert, aber für mich so überzeugend, dass ich jedes Mal wieder staune, wie es ihm gelingt, die Gefühlswelt der Protagonisten so überzeugend in Worte zu fassen. Für mich waren die Bücher bisher ein Lesevergnügen. Was mich bei dem hier beschriebenen Roman sprachlich gestört hat, war das Wort Sch …, das leider öfters vorkam.
Liebe Grüße Anna