Karen Duve – Sisi (Rezension)
Erscheinungsdatum: 22.09.2022
(Galiani-Berlin, 416 Seiten, ISBN 3869712104)
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Inhalt
Fast alle kennen die Kaiserin Elisabeth von Österreich als „Sissi“. Nicht ganz so viele wissen vielleicht, dass ihr Spitzname korrekt eigentlich „Sisi“ lautete – und auch sonst gibt es viele Unterschiede zwischen der historischen Persönlichkeit und der „Sissi“ aus den berühmten Filmen mit Romy Schneider.
Sisi war zum Beispiel eine der besten Jagdreiterinnen ihrer Zeit, achtete dabei aber auch sehr auf ihr Äußeres, hielt sich mit einem speziellen Trainingsprogramm fit und veranstaltete einen regelrechten Kult um ihre prachtvolle Haarmähne.
Viele Menschen haben Sisis Weg begleitet und sehr viele Erfahrungen mit der kapriziösen Kaiserin schriftlich festgehalten. Aus solchen Zeitzeugnissen hat Karen Duve einen biographischen Roman zusammengestellt, der sich mit zwei Jahren im Leben der Kaiserin in den späten 1870er Jahren befasst, in denen Pferde, Reitpartner*innen und vor allem auch ihre Nichte Marie Louise im Mittelpunkt standen.
Meine Meinung
Zugegeben: Mein Wissen über Kaiserin Elisabeth beschränkte sich bis zur Lektüre dieses Buchs tatsächlich auf das Bild, das in den Filmen mit Romy Schneider vermittelt wird, und einen Besuch des „Sisi“-Museums in Wien (der allerdings so lange her ist, dass ich mich kaum noch daran erinnere). Karen Duve zeichnet hier nun ein wesentlich interessanteres Bild von ihr und vermittelt gleichzeitig den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts.
Eine durchgängige Handlung findet sich in diesem Buch kaum, stattdessen werden mit viel ironischer Distanz zahlreiche Episoden und Anekdoten aus dem Leben der Kaiserin und ihres Gefolges geschildert. Einen roten Faden bildet allerdings das Schicksal der bereits erwähnten Nichte Marie Louise, Tochter eines von Sisis Brüdern, die ihre kaiserliche Tante verehrt – und ihr am Ende einen unliebsamen Ehemann „verdankt“.
Auf den Schreibstil, der fast berichtartig daherkommt, musste ich mich zunächst einlassen. Und aus thematischer Sicht ging es mir ein wenig zu viel um Pferde und den Reit-/Jagdsport. Das ist aber auch einfach ein Thema, zu dem ich so gar keine persönliche Affinität an den Tag lege. Trotzdem war „Sisi“ für mich eine sehr kurzweilige und, trotz so mancher ernster Themen – mit der armen gegen ihren Willen verheirateten Marie Louise kann man nur Mitleid haben –, alles in allem auch eine sehr vergnügliche Lektüre.
Die Lesezeit steht hierbei sicher in keinem Verhältnis zu dem Rechercheaufwand, den die Autorin betrieben haben muss, um so viel Wissen über die Kaiserin zusammenzutragen. Eine Dokumentation oder eine weitere Biographie ist das Buch dennoch nicht geworden.
Es ist und bleibt ein Roman, der an der einen oder anderen Stelle Interpretationen der Autorin aufweist, teils nur ganz vage angedeutet (hatte Sisi eine heimliche Beziehung mit ihrer Vorleserin?). Mich störte das nicht, da ich nicht mit dem Anspruch herangegangen bin, nun endlich „die echte“ Sisi bis ins allerkleinste historisch belegte Detail kennenzulernen. Wer schon sehr viel über die Kaiserin weiß, findet möglicherweise das eine oder andere falsch oder einseitig wiedergegeben – in einem Roman fällt dies meiner Meinung nach aber unter die künstlerische Freiheit.
Sehr missfallen ist mir das leider sehr schlechte (oder gar fehlende?) Lektorat des Buchs. Derart gehäuft auftretende Rechtschreib- und Grammatikfehler verzeihe ich noch (wenn auch ungern) Selfpublisher*innen, die noch ganz am Anfang stehen und sich ein Lektorat schlicht tatsächlich nicht leisten können, aber keiner Veröffentlichung aus einem professionellen Verlag. Hier sollte bei einer möglichen zweiten Auflage dringend nachgebessert werden.
Fazit
Karen Duve vermittelt uns in „Sisi“ das Bild einer außergewöhnlichen Frau, die von vielen verehrt und von manchen verspottet wurde, aber während ihrer Regentschaft bestimmt kaum jemanden „kalt gelassen“ hat. Mir hat das Buch gut gefallen und ich spreche gern eine Empfehlung für alle aus, die sich der Kaiserin mal auf andere Art annähern möchten als über die bekannten Verfilmungen. Dass sich bei einem Fokus auf nur zwei Lebensjahre kein vollständiges Bild von ihrer Persönlichkeit vermitteln lässt, sollte dabei klar sein.
Bewertung
(Danke an Galiani Berlin und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)