Megan Hunter – Die Harpyie (dt. von Ebba D. Drolshagen) (Rezension)

(Copyright: C.H. Beck)

Erscheinungsdatum: 09.04.2021
(C.H. Beck, 229 Seiten, ISBN 3406766633)

Erhältlich bei:

Inhalt

Lucy war schon immer fasziniert von Harpyien, vogelähnlichen Dämonen mit Frauenköpfen aus der griechischen Mythologie, bekannt für Diebstahl und Rache. Eines Tages erfährt sie, inzwischen Mutter von zwei kleinen Söhnen, dass ihr Mann sie mit einer Kollegin betrogen hat – und ihr Umgang damit ist eher ungewöhnlich: Sie vereinbart mit ihm, dass sie sich dreimal an ihm rächen darf. Wie und auf welche Weise, bleibt ihr überlassen – und sie ist dabei keineswegs zimperlich und greift sogar zu körperlicher Gewalt. Nach und nach verschwimmen Lucys Grenzen und ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit: Wird sie etwa selbst zur Harpyie …?

Meine Meinung

Fun fact vorab: Selten habe ich einen Buchtitel so falsch verstanden wie „Die Harpyie“. Ich weiß nicht, ob er mich möglicherweise an „Die Hard“ erinnerte, aber jedenfalls habe ich ernsthaft geglaubt, man würde ihn englisch aussprechen und „Die“ würde hier „sterben / stirb“ bedeuten. „Harpyie“ hätte dann vielleicht ein Eigenname sein müssen, damit diese Konstruktion Sinn ergibt … Komplett durchdacht hatte ich das Ganze zugegebenermaßen nicht, es war einfach meine spontane Assoziation, als ich den Titel zum ersten Mal gelesen habe, und die blieb dann hängen. 😉

Ich gestehe, die Harpyien aus der griechischen Mythologie waren mir völlig unbekannt, ebenso wie die Tatsache, dass es auch in der Biologie eine Bezeichnung für eine Greifvogelart ist. Deswegen kannte ich das Wort einfach nicht, aber jetzt werde ich es sicher nie wieder vergessen. Lesen bildet!

Nun aber zum Buch selbst: Die Story und die Verheißung einer sehr düsteren Atmosphäre und eines gewissen surrealen Touchs haben mich zuerst sehr angesprochen, deswegen war ich ziemlich neugierig darauf. Leider bin ich von der Ausgestaltung dann aber enttäuscht worden. Der Plot ist nicht wesentlich gehaltvoller, als es die Inhaltsbeschreibung wiedergibt. Hier und da gab es interessante Ansätze, zum Beispiel Lucys Frustration darüber, dass sie als Mutter und Hausfrau „geendet“ ist, während ihr Mann Karriere an der Uni macht. Das fand ich durchaus plausibel und konnte (nicht nur) deshalb auch ihre Wut über den Betrug verstehen, aber ihr Umgang damit erschien mir doch eher absurd.

Ich konnte Lucys Gedankengänge bezüglich der Umsetzung ihrer Rache kaum nachvollziehen und fand allein den Ansatz sehr merkwürdig. Was verspricht Lucy sich davon, ihrem Mann (wie bereits gesagt, auch körperlich) wehzutun? Weder macht es den Betrug ungeschehen noch kann dies aus meiner Sicht ihren psychischen Schmerz kompensieren. Einige Beschreibungen wirkten dabei auf mich auch ziemlich abstoßend.

Eingestreut werden immer wieder Rückblenden auf Lucys Beschäftigung mit Harpyien, die sich bereits durch ihr ganzes Leben zieht. Ihre Faszination für diese mythischen Gestalten wird dadurch zwar sehr deutlich, aber unbedingt gebraucht hätte ich diese Einschübe nicht. Für mich störten sie den eigentlichen Lesefluss und ich machte mir alle möglichen Gedanken darüber, ob sie am Ende noch mal zu einer überraschenden Wendung führen würden. Das war aber leider nicht der Fall.

Stattdessen bleibt am Ende offen, ob Lucy – man möge mir die Ausdrucksweise verzeihen – komplett verrückt geworden ist, träumt oder ihre Gedankenwelt nur bildlich widerspiegelt, wie sie der Situation letztendlich entkommt. Zwar passt dieser Schluss zu der Geschichte und zu Lucys offenbar ziemlich gestörter Persönlichkeit, aber ich hätte hier etwas mehr Auflösung bevorzugt.

Thalia
(*)

Fazit

Megan Hunter hat mich mit ihrem Debütroman leider nicht überzeugen können. Einen halben Punkt mehr, als ich „Die Harpyie“ aufgrund der Geschichte geben würde, vergebe ich aber für den einnehmenden Schreibstil, der hier in sehr guter Übersetzung vorliegt. Das Buch entwickelte beim Lesen durchaus einen düsteren Sog, der mich dazu brachte, immer weiter lesen zu wollen. Nur wurde leider meine Hoffnung auf eine überzeugende Entwicklung und Auflösung enttäuscht, und so reicht es am Ende zu knappen drei Sternen. Megan Hunters Art zu schreiben macht mich aber trotzdem neugierig darauf, ob vielleicht das eine oder andere Buch folgen wird, dessen Story mich am Ende mehr anspricht.

Bewertung

Teile den Beitrag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert