Tanja Raich – Schwerer als das Licht (Rezension)
Erscheinungsdatum: 24.08.2022
(Karl Blessing Verlag, 192 Seiten, ISBN 3896677357)
Erhältlich bei:
Inhalt
Eine namenlose Protagonistin lebt auf einer tropischen Insel. Sie ist allein, obwohl die Insel noch weitere Bewohner*innen hat – im nicht näher beschriebenen Norden der Insel leben ebenfalls Menschen, von denen sich die Frau bedroht fühlt, bei den seltenen Begegnungen auch wirklich bedroht wird.
Auch sonst passieren rätselhafte Dinge: Die Vegetation bildet sich zurück, Wale stranden am Meeresufer, erhängte Menschen baumeln von Bäumen. In Rückblicken erfahren wir nur sehr andeutungsweise, wie die Frau eigentlich auf die Insel kam und warum sie dort geblieben ist. Was ist Traum, was ist Realität?
Meine Meinung
Tanja Raich legt mit „Schwerer als das Licht“ einen dystopischen Roman vor, der viele Fragen aufwirft. Wer ist die Frau, ist sie wirklich auf der Insel, was ist das eigentlich für eine Insel, wer wohnt noch dort, und warum sind diese anderen Menschen so feindselig? Das alles wird nicht eindeutig beantwortet; stattdessen lässt die Geschichte verschiedenste Interpretation zu. Eine einzelne Person gegen „die anderen“, Klimawandel, das Zurückschlagen der Natur – die Deutungsmöglichkeiten der Geschehnisse sind vielfältig, und die Frage, ob das nun alles „wirklich“ passiert, wird zweitrangig.
Die Geschichte verwirrt, zieht einen beim Lesen in einen Sog, lässt nicht locker. Die nur 192 Seiten rauschen zwar schnell vorbei, enthalten aber viel mehr als das, was mit Worten gesagt wird. Die unheimlich dichte und kraftvolle bildliche Sprache kreiert eine Atmosphäre teils latenter, teils auch sehr konkreter Bedrohung. Insbesondere die Schilderungen der Naturphänomene habe ich als sehr intensiv empfunden.
Aufgebaut und geschrieben ist das Buch zweifellos sehr clever und durchdacht – es hat aber nicht ganz meinen Geschmack getroffen. Mir persönlich war zu viel offen gelassen, ich hätte mir mehr konkrete Handlung gewünscht. Dennoch war es ein interessantes Leseerlebnis.
Fazit
Ich hatte von Tanja Raich bereits „Jesolo“ gelesen. Mir hatte der Schreibstil damals sehr gefallen, und in „Schwerer als das Licht“ fand ich ihn sogar noch beeindruckender. Aber obwohl man auch in „Jesolo“ ab einem gewissen Punkt nicht mehr zwischen den wirklichen Geschehnissen und der Gedankenwelt der Protagonistin unterscheiden kann, ist die Geschichte doch sehr in der „realen“ Welt verortet. Etwas Ähnliches hatte ich vielleicht von „Schwerer als das Licht“ erwartet, aber das war, wie beschrieben, ganz und gar nicht der Fall. Deswegen hat es mich leider nicht ganz so sehr abgeholt, wie ich es mir erhofft hatte.
Allen, die sich auf die fantasievoll beschriebene und vielfältig interpretierbare Reise auf die ominöse „Insel“ einlassen möchten, sei das Buch aber sehr empfohlen.
Bewertung
(Danke an das Bloggerportal für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)