Teresa Bücker – Alle_Zeit (Rezension)

Buchcover Teresa Bücker Alle Zeit
(Copyright: Ullstein Hardcover)

Erscheinungsdatum: 19.10.2022
(Ullstein Hardcover, 400 Seiten, ISBN 3550201729)

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Inhalt

Wir alle haben zu wenig Zeit, zumindest ist das unser Empfinden – wie kann das sein, wo wir doch eigentlich sogar mehr so genannte „Freizeit“ haben als die Generationen vor uns? Aber was bedeutet „Freizeit“ eigentlich – ist sie für alle Menschen gleichermaßen als die Zeit zu betrachten, in der sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen und die sie demzufolge (angeblich) vollkommen frei gestalten können?

Natürlich nicht – und das zeigt Teresa Bücker in ihrem Buch klar auf, indem sie über Care-Arbeit und sonstige Verpflichtungen spricht, für die wir unsere Zeit aufwenden müssen. Wann haben wir in diesem Konstrukt „echte“ Freizeit, in der wir uns erholen und frei von jeglichen äußeren Zwängen darüber entscheiden können, wie wir sie verbringen? Und wie können wir die 24 Stunden, die jedem Menschen jeden Tag zur Verfügung stehen, gerechter (auf)teilen?

Meine Meinung

Das Thema Zeit und wie wir diese für uns nutzen können, müssen und wollen, hat mich zunächst sehr interessiert und angesprochen, denn auch ich habe häufig das Gefühl, „zu wenig“ Zeit für alles zu haben, was ich machen muss oder eben auch möchte. Aber vorweg gesagt: „Alle_Zeit“ ist keinesfalls ein Ratgeber dazu, wie man sich seine eigene Zeit besser einteilen kann oder jede Minute des Tages „optimal” nutzt, sondern ein politisches und feministisches Plädoyer für einen Umschwung in der Gesellschaft.

Teresa Bücker hat ihr Buch sehr gut verständlich in verschiedene Kapitel zu den Themen Arbeitszeit, Care-Zeit, freie Zeit, Zeit für und mit Kindern sowie Zeit für Politik unterteilt. Dass nicht jeder Mensch über die gleichen Zeitressourcen verfügt, über deren Nutzung er oder sie frei entscheiden kann, wird hierbei sehr anschaulich klar. Die Autorin plädiert für eine gerechte Verteilung der Zeit an uns alle – eine neue Aufteilung von Care-Aufgaben muss her, wir sollen uns wieder mehr umeinander kümmern (können) und nicht den Hauptteil unseres erwachsenen Lebens mit Erwerbsarbeit verbringen (müssen).

Mir schienen die Ausführungen in den ersten Kapiteln sehr aufschlussreich und spannend und ich konnte vieles davon nachvollziehen. Dass „freie Zeit“, also Zeit außerhalb von Erwerbsarbeit, eben nicht immer gleich „Freizeit“ bedeutet und für Menschen mit unterschiedlichen Herausforderungen im Alltag komplett unterschiedlich belegt ist, selbst wenn die Zeitspanne heruntergerechnet vielleicht genau oder annähernd gleich lang ist wie bei einer anderen Person, ist ein sehr nachdenkenswerter Ansatz und hilft definitiv dabei, sich der eigenen Zeitprivilegien bewusst zu werden.

Leider muss ich zugeben, dass mein Interesse nach gut der Hälfte des Buchs zunehmend nachließ. Das Kapitel „Zeit und Macht mit Kindern teilen“ habe ich als nicht mehr vollständig zum Thema passend empfunden. Die Argumentation, dass Kinder mehr Mitspracherecht zu Themen, die sie selbst betreffen, erhalten sollten, wurde für meine Begriffe etwas künstlich in die „passende“ Richtung gedrängt. Und spätestens das Kapitel „Zeit für Politik“ habe ich als zu ausführlich und dabei auch sehr redundant empfunden.

Teresa Bücker stellt des Weiteren mehrere Ansätze anderer Autor*innen dazu vor, wie unser aller Alltag anders strukturiert werden könnte, zum Beispiel mit nur noch 4 Stunden „verpflichtender“ Erwerbsarbeit, 4 Stunden Care-Arbeit, 4 Stunden Zeit für gesellschaftliches Engagement usw. Wie sich dies in der Realität umsetzen ließe und ob „alle“ dabei mitziehen würden, die diese Neuverteilung von Zeit potenziell beträfe, sei dahingestellt.

Alles in allem hatte ich etwas anderes von diesem Buch erwartet. Ich stehe feministischen Anliegen sehr aufgeschlossen gegenüber, aber dass es am Ende fast auf den gesamten 400 Seiten „nur“ um eine Umverteilung von Care-Arbeit geht, war mir persönlich zu eindimensional und auch zu sehr auf die Interessen und Lebensrealität von Familien mit (kleinen) Kindern ausgelegt. Dass das Hauptaugenmerk der Autorin darauf liegt, ist natürlich vollkommen legitim – spricht letztendlich aber eben doch nicht alle Lesenden an, auch wenn sie den Anspruch hat, dass es um ein gutes Leben für „uns alle“ gehen soll.

Thalia
(*)

Fazit

„Eine Gesellschaft, in der wir alle gut leben können“ als Ziel – wie das durch eine Umverteilung von Zeitvolumina für verschiedene Tätigkeiten gelingen könnte, legt Teresa Bücker in ihrem Buch ausführlich dar. Mich persönlich hat sie mit ihren Ausführungen nicht an allen Stellen erreicht, aber ihre Kernthesen haben mich durchaus überzeugt.

Bewertung

(Danke an Ullstein Buchverlage und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)

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