Cho Nam-Joo – Miss Kim weiß Bescheid (dt. von Inwon Park) (Rezension)
Erscheinungsdatum: 06.10.2022
(Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, ISBN 3462003496)
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Inhalt
In diesem Sammelband sind Kurzgeschichten versammelt, die sich um das Leben von acht koreanischen Frauen und Mädchen drehen. Die jüngste Protagonistin ist erst 10 Jahre alt, die älteste 80. Es geht um verschiedenste Themen: Hass im Internet – eine Erfahrung, die die Autorin nach ihrem erfolgreichen Debütroman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ selbst machen musste –, Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz, psychische und physische Gewalt in der Familie / Beziehung, die Aufteilung von Care-Arbeit. Alle Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden und rücken die jeweiligen Protagonistinnen in den Vordergrund. Wie finden sie sich in ihren Situationen zurecht?
Meine Meinung
Ich habe den Debütroman von Cho Nam-Joo noch nicht gelesen – und auch kein anderes Buch von einer koreanischen Autorin oder einem koreanischen Autor. So hatte ich zunächst leise befürchtet, die Geschichten in diesem Buch könnten vielleicht so kulturspezifisch sein, dass ich nicht alle relevanten Aspekte davon erfassen kann.
Nun, vielleicht konnte ich das tatsächlich nicht, das ist natürlich schwer zu überprüfen – aber beim Lesen stellte ich schnell fest, dass die geschilderten Probleme der Protagonistinnen sicher nicht nur Frauen in Korea, sondern weltweit betreffen. Außer in der letzten Geschichte erzählen zudem alle Protagonistinnen in der Ich-Form, was eine Identifikation ebenfalls erleichterte.
Besonderen Eindruck machten auf mich die Geschichte der Frau, die sich mit einer Reise zu den Polarlichtern in Kanada einen Lebenstraum erfüllt und sich nicht um ihren Enkel kümmern möchte – Schuldgefühle gegenüber dessen Mutter, ihrer Tochter, inklusive -, sowie die in Briefform verfasste Abrechnung einer Frau mit ihrem Ex-Freund, der sie in einer toxischen Beziehung klein hielt und systematisch unterdrückte.
Diese beiden Geschichten waren für mich klare Highlights, während die meisten anderen für mein Empfinden eher dahin plätscherten und hier und da auch etwas abrupt abbrachen. Manchmal schien mir hier eine Pointe zu fehlen – was aber auch an mir liegen kann, denn in einigen Geschichten hatte ich am Ende doch das Gefühl, möglicherweise nicht alles verstanden zu haben, was gesagt werden sollte. Das mag ein sprachliches oder eben doch ein kulturelles Problem gewesen sein, auch wenn ich den Eindruck hatte, eine sehr gelungene Übersetzung zu lesen. Dennoch ließen sich die einzelnen Geschichten gut und flüssig lesen und regten mich definitiv zum Nachdenken an – auch und gerade zu Themen, die mich und mein Leben aktuell nicht direkt betreffen.
Fazit
Dass mich nicht alle Storys gleichermaßen ansprachen, liegt bei einer Kurzgeschichtensammlung in der Natur der Sache. Insgesamt waren die Geschichten in „Miss Kim weiß Bescheid“ für mich aber ein interessanter Ausflug in eine mir bislang fremde Kultur, die mir trotz aller gesellschaftlichen Unterschiede nun insbesondere in Bezug auf feministische Themen keineswegs mehr allzu weit entfernt scheint.
Bewertung
(Danke an Kiepenheuer & Witsch und Netgalley für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Keine weitere Vergütung erhalten.)